Erläuterung und Kritik der momentanen Wettbewerbssituation der Bahn.
Antrag: | Grüne Mobilität für eine lebenswerte Zukunft |
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Antragsteller*in: | GRÜNE JUGEND (dort beschlossen am: 07.04.2016) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 07.04.2016, 18:28 |
Antrag: | Grüne Mobilität für eine lebenswerte Zukunft |
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Antragsteller*in: | GRÜNE JUGEND (dort beschlossen am: 07.04.2016) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 07.04.2016, 18:28 |
Momentan leidet die Deutsche Bahn unter ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Wir fordern daher, dass alle Anbieter*innen auf der Schiene den gleichen sozialen und ökologischen Standards verpflichtet sein müssen.
Wir Grüne wollen Mobilität klimafreundlich und bequem für alle gestalten. Immer mehr
Menschen nutzen im Alltag Fahrrad, Bus und Bahnen und kombinieren verschiedene
Verkehrsmittel und stimmen so mit den Füßen ab: Der öffentliche Nahverkehr erreicht von Jahr
zu Jahr neue Fahrgastrekorde, das Fahrradfahren boomt und auch Carsharing-Anbieter melden
immer höhere Nutzer*innenzahlen. Diesen Trend zu den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds, der
besonders in den Ballungsräumen ausgeprägt ist, muss eine zukunftsfähige Verkehrspolitik
weiter verstärken. Das Auto – als Symbol für Fortschritt und Aufstieg in die Jahre gekommen
– gehört wird immer mehr zum Gebrauchsgegenstand und verliert als Statussymbol gerade bei
Jüngeren an Strahlkraft. Auch wenn das Auto noch immer gerade in ländlichen Regionen oft
Mobilitätsgarant ist, bietet ein rationaler Umgang mit dem Auto die Chance für neue
Mobilitätsangebote. Denn viele Menschen in Deutschland gestalten ihre individuelle Mobilität
freier und flexibler.
Die Verkehrspolitik in Deutschland muss sich daher grundlegend erneuern. Sie muss sich am
Verkehrsgeschehen der Zukunft orientieren und nachhaltige Mobilität für alle in den
Mittelpunkt stellen. Statt weiter Jahr für Jahr Milliarden in den Bau neuer Straßen zu
stecken, brauchen wir intelligente Netze mit guten Umsteigemöglichkeiten. Wir Grüne wollen
es Bürgerinnen und Bürgern einfach machen, mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, auf
sicheren Rad- und Fußwegen und mit sauberen Autos ihre Ziele zu erreichen. Und wir wollen
eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur, die die Zukunftsfähigkeit Deutschlands als
nachhaltigem Wirtschaftsstandort sichert.
Wir Grüne wollen offen mit Bürgerinnen und Bürgern über den neue Mobilität und ihre Chancen
sprechen. Deutschland braucht eine Verkehrswende, um seine Klimaziele zu erreichen und
umzusetzen, was im internationalen Klimaschutzabkommen von Paris vereinbart wurde. In der EU
ist der Verkehr für ein Viertel aller CO2-Emissionen verantwortlich und der einzige Sektor,
in dem sie seit 1990 gestiegen sind. Während die klimaschädlichen Emissionen der Industrie
deutlich gesenkt werden konnten, sind sie im Verkehr um 22% angestiegen. Ohne eine Änderung
der Mobilität werden wir den Klimawandel nicht stoppen. In Zukunft wollen wir uns mit Hilfe
von Wind- und Sonnenenergie statt Diesel und Benzin fortbewegen – und zwar so, dass wir
schnell und flexibel von A nach B kommen ohne Staufrust und lästige Parkplatzsuche. Wir
wollen weg vom Öl im Straßenverkehr in den nächsten zwei Jahrzehnten und rein in eine grüne
Mobilität mit Elektromobilen, einer Verdoppelung von Bus und Bahn-Angeboten und der
Vernetzung aller Verkehrsmittel.
Es geht darum, jedes Verkehrsmittel in seiner Stärke und intelligent vernetzt weiter zu
entwickeln. Darin liegen auch enorme ökonomische Chancen. Dafür müssen wir aber auch klar
benennen, welche Subventionen und Regeln das heutige Verkehrsgeschehen prägen und welche
sozialen Folgen und ökologischen Schäden dadurch entstehen. Ähnlich wie im Energiebereich
wollen wir Lobbys zurückdrängen, die am Gestern ausgerichtet sind und einer Neuausrichtung
der Verkehrspolitik im Wege stehen. Statt Straßenneubau, mehr Lkw-Verkehr und Subventionen
für Diesel und Dienstwagen wollen wir in der Verkehrspolitik umsteuern - ab 2017 auch mit
einem Bundesministerium für Mobilität, das die Mobilitätsanforderungen und -bedürfnisse der
Menschen in den Vordergrund stellt und nicht wie bisher die Interessen der
Verkehrswirtschaft.
Sackgassen verlassen
Wer in Deutschland von A nach B kommen will, dem wird vor allem das Autofahren leicht
gemacht. Unser Land hat ein umfassendes Netz an Autostraßen, Parkplätzen und Tankstellen.
Wer dagegen den öffentlichen Verkehr und damit einen umweltschonenden Mix aus Bahnen und
ÖPNV nutzten möchte, der braucht oft Geduld und starke Nerven. Der Bahnverkehr wurde weiter
ausgedünnt und ist zergliedert in zahlreiche Verbundsysteme und Tarifgebiete, die nahtlose
und zuverlässige Anschlüsse erschweren. Überall im Land sind Bahnhöfe und Haltestellen
teilweise seit Jahren in traurigem Zustand.
Unser Verkehrssystem ist nicht zukunftsfähig. Im Straßenverkehr gibt es jährlich tausende
Unfälle, Verletzte und Tote. Es belastet die Luft in Städten und verschuldet schwere
Atemwegs- und Krebserkrankungen. Es macht Menschen krank, weil es zu laut ist. Es produziert
Jahr für Jahr Staus in einer Gesamtlänge von über einer Million Kilometer. Allein die
Handwerksunternehmen in der Köln-Bonner Region verlieren jährlich 240 Millionen Euro, weil
ihre Firmenfahrzeuge nicht vorankommen. Unsere Verkehrsinfrastruktur ist vielerorts in einem
maroden Zustand. Tausende Bahn- und Straßenbrücken müssen dringend erneuert werden. CDU/CSU
und SPD haben über Jahrzehnte nicht durchfinanzierte Neubauten beschlossen, die jene
Milliardensummen verschlungen haben, die wir schon lange für Erhalt und Sanierung brauchen.
Überteuert Prestigeprojekte wie der Flughafen BER graben gezielten Investitionen in eine
verlässliche Alltagsmobilität das Wasser ab. Regelrechten Wildwuchs gibt es bei den
Regionalflughäfen – viele sind verkehrlich weitgehend überflüssig und werden nur durch
steuerfinanzierte Millionensubventionen künstlich am Leben gehalten.
Rad- und Fußverkehr sind allzu oft noch die Stiefkinder der deutschen Verkehrspolitik. Seine
Potentiale für ein nachhaltiges Mobilitätssystem werden nicht ausgeschöpft. Während Pedelecs
boomen und eine veränderte Infrastrukturplanung erfordern, verschläft die Bundesregierung
die Chancen. Noch immer sterben im Straßenverkehr viel zu viele Radfahrer oder werden schwer
verletzt. Dass sich nur etwa die Hälfte der Radfahrerinnen und Radfahrer im Straßenverkehr
sicher fühlt, ist ein Armutszeugnis für eine moderne Gesellschaft.
Intelligent und vernetzt unterwegs
Moderne und leistungsfähige Mobilität setzt auf eine gute Vernetzung öffentlicher
Verkehrsangebote. Unsere Mobilität gewinnt an Qualität, wenn wir Bahnen und Busse, ÖPNV,
Fahrrad und Carsharing nahtlos und mithilfe digitaler Informationen kombinieren können.
Statt im Stau zu stehen und den letzten freien Parkplatz zu suchen, steigen wir flexibel
ein, zu und um, um unsere Ziele zu erreichen. Mit ein paar Klicks verschaffen wir uns freie
Fahrt.
Wir wollen selbstbestimmte Mobilität stärken. Es muss leichter werden, die geeignetste
Fahrtoption bequem über Internet auszuwählen, zu buchen und zu bezahlen. Wir wollen
bedienungsfreundliche Plattformen auf Basis von Open Data ausbauen, ohne dabei den
Datenschutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gefährden. Die tarifäre Kleinstaaterei
des öffentlichen Verkehrs ist eine lang gewachsene ungute Tradition. Der öffentliche Verkehr
muss hier noch viel einfacher werden: Fahrgäste sollten ihre Fahrkarten auch über
Verbundgrenzen hinweg problemlos buchen können.
Intelligente Mobilität heißt auch Carsharing. Teilen boomt aus guten Gründen: Wer nur ab und
zu ein Auto mietet, senkt seine Fixkosten und kann bei Bedarf auf unterschiedliche Fahrzeuge
zurückgreifen. Um Wartung und Reparatur kümmern sich andere. Wir Grüne haben Carsharing von
Beginn an unterstützt. Es verringert Fahrzeugdichte und erhöht die Lebensqualität in
Städten. Das Carsharing-Konzept unserer grünen Verkehrssenatoren in Bremen wird seit Jahren
in ganz Deutschland gelobt.
Doch die Erfolgsgeschichte wird noch immer auf Ebene des Bundes ausgebremst. Das
Bundesverkehrsministerium blockiert die gesetzliche Grundlage, auf der Kommunen Carsharing-
Parkplätze rechtssicher ausweisen könnten. Wo Carsharing derzeit existiert, müssen Kommunen
kreativ werden und rechtlich improvisieren. Grüne Mobilitätspolitik setzt auf moderne
Verkehrsregeln. Alle rechtlichen Vorbehalte der Bundesregierung gegen Carsharing sind
konstruiert und nicht mehr zeitgemäß. Carsharing leistet einen Beitrag zu Umwelt- und
Gesundheitsschutz, entlastet Innenstädte vom Parkplatzsuchverkehr und sichert bezahlbare
Mobilität für alle. Die Carsharing-Branche braucht Investitionssicherheit. Wir Grüne kämpfen
daher dafür, dass Kommunen Mobilitätsstationen im öffentlichen Straßenraum errichten und
reservierte Stellplätze auch einzelnen Unternehmen zuordnen können.
Auch bei Transportdienstleistungen wollen wir es Verbraucherinnen und Verbrauchern leichter
mache, die Möglichkeiten der digitalen Share Economy zu nutzen. Wir werden darauf drängen
dass – anders als bei einigen derzeit expandierenden Anbietern –Datenschutz, Verbraucher-
und Arbeitnehmerrechte strikt eingehalten werden.
Eine Offensive für den ÖPNV
In Städten kommen 70 Prozent aller klimaschädlichen Emissionen aus dem Verkehr. Gleichzeitig
sind 90 Prozent aller Autofahrten in deutschen Städten kürzer als 6 Kilometer. Das sind
ideale Distanzen zum Umsteigen auf Bus, Bahn, Rad und Zufußgehen.
Der ÖPNV erfreut sich insbesondere in den großen Städten und Ballungsgebieten eines
wachsenden Zuspruchs. Damit er attraktiv bleibt, sind in den nächsten Jahren hohe
Investitionen in Fahrzeuge und Infrastruktur nötig. Bezahlbare Mobilität für alle in Stadt
und Land muss das Ziel bleiben. Ein moderner öffentlicher Verkehr bietet intelligente
Mobilitätsdienstleistungen an. Dafür müssen sich die Verkehrsverbünde wandeln, einfache und
günstige Tarife anbieten, Familienfreundlichkeit gewährleisten und ansprechende Stationen
mit umfassender Barrierefreiheit schaffen. Wo Kundinnen und Kunden noch immer oft als
„Beförderungsfall“ behandelt werden und einem Dickicht komplizierter Regeln begegnen, ist
für ein positives Image und Freude am Fahren noch viel zu tun. Wir wollen, dass sich das E-
Ticket schneller zum bundesweiten Standard entwickelt. Das Ziel muss lauten „eine Fahrkarte
für alle Verkehrsmittel des Umweltverbunds“. Wir Grüne unterstützen Initiativen in Ländern
und Kommunen, die Finanzierungsgrundlagen des ÖPNV zu erneuern. Für einen attraktiven und
leistungsfähigen Nahverkehr brauchen wir ergiebige und verlässliche
Finanzierungsinstrumente. Ein solidarisches Bürgerticket zur vereinfachten Nutzung von
Bussen, Bahnen und weiteren Mobilitätsangeboten kann dabei lokal der Einstieg in ein
erweitertes und fahrgastfreundliches öffentliches Verkehrssystem sein. Deshalb wollen wir
kommunale Pilotprojekte unterstützen.
Unser Ziel ist eine Mobilitätsgarantie im ganzen Land ohne eigenes Auto: Um den ÖPNV in
ländlichen Regionen zu verbessern, wollen wir Mindeststandards setzen und Angebote wie
Rufbusse, Sammeltaxis und Ridesharing ausweiten. Für innovative Mobilitätsdienstleistungen
wollen wir attraktive Rahmenbedingungen einführen, ohne Sozial- und Arbeitsstandards
auszuhöhlen. Unser Ziel ist die Weiterentwicklung von Bike&Ride und Park&Ride zu
Mobilitätsstationen mit sicheren Abstellmöglichkeiten, Elektro-Lade-Einrichtungen und Car-
Sharing. Wir wollen die Umstellung von Fahrzeugen des ÖPNV auf Elektro- und
Wasserstoffantriebe fördern, um Betriebskosten zu senken und Abgase zu mindern.
Beim Ausbau des ÖPNV ist der Bund weiter gegenüber Ländern und Kommunen in der Pflicht. Er
muss auch nach 2019 den Ausbau der Infrastruktur für den ÖPNV und dabei künftig ebenso
Erhaltungsmaßnahmen unterstützen. Wir wollen die finanzielle Förderung des Bundes auf
kleinere Maßnahmen wie etwa den Ausbau von Mobilitätsstationen ausweiten. WLAN in Bahnen und
ÖPNV etwa muss selbstverständlich werden. Die finanziellen Mittel für den öffentlichen
Verkehr aus dem Entflechtungsgesetz dürfen nicht beim Deal um die Neuordnung der Bund-
Länder-Finanzbeziehungen verschachert werden. Wir fordern den Bund auf, ihre Zweckbindung
abzusichern und ein „Zukunftsprogramm Nahverkehr“ zur Angebots- und Qualitätsverbesserung
mit jährlich mit mehr als 1 Mrd. Euro auszustatten.
Radfahren Raum und Sicherheit geben
Das Fahrrad erlebt eine Renaissance. In vielen Städten hat der Radverkehr deutlich
zugenommen. Immer mehr Menschen nutzen das Rad für ihre Wege im Alltag. Neue Technik,
Materialien und Designs machen aus dem guten alten Drahtesel ein innovatives, praktisches
und schnelles Transportmittel. Die Elektrifizierung erschließt dem Rad neue Zielgruppen,
ermöglicht höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten und macht auch entfernte Ziele bequem
erreichbar. Mit Lastenrädern ist vom Wochenendeinkauf über das Kindertaxi bis zum
gewerblichen Transport vieles möglich.
Schnell, preiswert und bequem ankommen - moderne Mobilitätspolitik setzt auf fahrradgerechte
Städte. Kommunen wie Kopenhagen, Portland oder Münster leisten Pionierarbeit für mehr
Fahrradverkehr und zukunftsfähige Stadtentwicklung. Gemeinsam genutzte Verkehrsräume (shared
space) können den öffentlichen Straßenraum für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen sicherer
und lebenswerter machen. Die Niederlande zeigen, wie mit systematischer Radverkehrsförderung
ein ganzes Land fahrradfreundlich wird. Städte und Regionen auf der ganzen Welt eifern
diesen Vorbildern nach.
Auch in Deutschland bekommt Fahrradpolitik Rückenwind. 82 Prozent der Deutschen wünschen
sich eine städtische Verkehrspolitik, die weniger an den Bedürfnissen des Autoverkehrs
ausgerichtet ist und stattdessen ÖPNV, Fuß- und Radwege ausbaut. Für diesen Trend haben wir
Grüne immer geworben - heute ist er da. Der Radverkehr ist ein Schlüssel für
klimafreundliche Mobilität. In Baden-Württemberg, Bremen und Hessen gehen unsere grünen
Verkehrsminister bei der Förderung des Radverkehrs beispielgebend voran mit innovativen
Vorschlägen zur Radstrategie und Radkultur.
Ein fahrradfreundliches Verkehrssystem braucht gute Infrastruktur und gerechte
Verkehrsregeln. Wo Radfahren zunimmt und zunehmen soll, müssen Verkehrsflächen neu
aufgeteilt und die Qualität der Radverkehrsinfrastruktur verbessert werden. Wir wollen mit
einer grünen Radstrategie gute Radverkehrsverhältnisse im ganzen Land und für die
Gesellschaft in ihrer ganzen Breite. Radfahren muss für alle leichter, bequemer und sicherer
werden – vom Kindergartenkind bis zur Generation „Siebzig plus“ setzen wir auf eine
zeitgemäße Radkultur.
Wir Grüne wollen gezielt die Kombination von Rad und öffentlichem Verkehr verbessern - auch
mit dem ICE, was Bundestag und Bundesrat einstimmig beschlossen haben. Gute Radwege zu
Bahnhof und Haltestelle und sichere Abstellmöglichkeiten erhöhen die Attraktivität des
öffentlichen Verkehrs und vergrößern sein Einzugsgebiet. Damit sich eine „neue
Radverkehrskultur“ in Deutschland entwickeln kann, muss der Bund zum engagierten und
verlässlichen Partner der Länder und Kommunen bei der Radverkehrsförderung werden. Eine
flächendeckende intakte Radinfrastruktur und Radschnellwege müssen gemeinsame Aufgabe aller
Straßenbaulastträger sein.
Effiziente und saubere Autos
Autos müssen auf der Straße sauber sein – nicht auf dem Papier oder im Testlabor. In 29
Regionen Deutschlands liegt die Luftbelastung durch Stickoxide über den zulässigen
Grenzwerten – ein unhaltbarer Zustand. Die Bundesregierung muss aufhören, die
gesundheitlichen Gefahren, die von Verbrennungsmotoren ausgehen, zu verharmlosen. Die
massiven Abweichungen zwischen Labor- und Straßenmessungen bei Diesel-Pkw waren seit Jahren
bekannt. Seit Monaten bleibt die Bundesregierung die Ergebnisse der Nachprüfungen von
Dieselfahrzeugen bei normalen Straßenfahrten schuldig. Sie hintertreibt damit eine
sachorientierte Verständigung über notwendige Konsequenzen. Wir Grüne fordern, den
Abgasskandal zügig und umfassend aufzuklären. Abgas- und Verbrauchstests müssen realistisch
und ihre Ergebnisse transparent werden. Wir wollen, dass unabhängige Institutionen wirksame
Kontrolle durch regelmäßige Feldüberwachung schaffen. Da die Luftbelastung durch Diesel-Pkw
noch über Jahre anhalten wird, muss sich die Bundesregierung mit den Ländern zügig auf
einheitliche Maßnahmen verständigen, um Feinstaub und Stickoxide wirksam zu verringern. Wir
Grüne fordern, das Bundesimmissionsschutzrecht zu reformieren und Kommunen rechtliche
Instrumente an die Hand zu geben, ihre Umweltzone zu verstärken so dass die Grenzwerte
eingehalten werden können. Die Einführung einer Blauen Plakette ist als Weiterentwicklung
der bestehenden Plakettenverordnung notwendiger denn je. Wenn alles andere nicht hilft,
können zum Gesundheitsschutz auch gezielte Fahrverbote notwendig werden.
Derzeit wird diskutiert, inwieweit automatisiertes Fahren Sicherheit und Effizienz des
Autoverkehrs verbessern kann. Wir unterstützen die Forschung in diesem Bereich. Zugleich
setzen wir uns im Interesse der Nutzer*innen für hohe Standards in Sachen Datenschutz und
Verkehrssicherheit ein. Wir wollen, dass die Autofahrer jederzeit die Hoheit über die
Sammlung, Weitergabe und Verwertung ihrer Daten behalten. Autofahrer müssen selbst
entscheiden können, ob sie Systeme des automatisierten Fahrens nutzen möchten. Sie müssen
Systeme abschalten und übersteuern können. Autohersteller und Handel wollen wir
verpflichten, offenzulegen, welche Daten sie sammeln und zu welchem Zweck sie sie verwenden.
Elektromobilität umfassend fördern
Energiewende heißt, nicht länger fossile Treibstoffe in Motoren zu verbrennen, sondern
Effizienztechnologien und alternative Antriebe einzusetzen. Wir wollen, dass
Elektromobilität auf Basis erneuerbarer Energien endlich losbraust. Dies gilt auch für
elektrisch betriebene Busse und Nutzfahrzeuge. Elektromobilität funktioniert auf der Schiene
und muss dort weiter ausgebaut werden. Bahnstrom muss zügig zu 100 Prozent grün werden.
Elektrofahrräder boomen regelrecht, aber sie brauchen rasch eine gute Infrastruktur, um ihre
Potentiale voll auszuspielen. Mit Elektroautos haben wir die Chance, den Autoverkehr
klimafreundlicher zu machen, statt die Klimakatastrophe weiter zu befeuern. Wir wollen den
Ausbau Erneuerbarer Energien und intelligenter Energiespeicher mit moderner E-Mobilität
zusammenbringen – und damit Energie- und Verkehrswende verbinden. Die Bundesregierung hat
beim Ausbau der Elektromobilität auf der Straße versagt. Ihre Steuer- und Ordnungspolitik
erschwert die Marktdurchdringung von Elektroautos, begünstigt schwere Verbrennungslimousinen
und setzt so Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie und Arbeitsplätze aufs Spiel.
Die in der großen Koalition diskutierte Absatzförderung für Elektrofahrzeuge lehnen wir ab,
da sie keine ökologische Lenkungswirkung entfaltet. Es ist notwendig, alte Subventionen
abzubauen. Die einseitige steuerliche Förderung von Diesel gegenüber Benzin ist weder
umwelt- noch verkehrspolitisch länger begründbar. Eine Kaufprämie aus dem allgemeinen
Steuertopf, die nicht einmal eine feste Absatzquote vorgibt, ist sozial ungerecht und
verkehrspolitisch untauglich. Sie ist in dieser Form nichts anderes als eine weitere
milliardenschwere Subvention für Automobilkonzerne, die mit übermotorisierten und schweren
Spritschluckern weltweit Milliarden verdient – und deren wahren Preis die Gesellschaft
zahlt.
Wir Grüne wollen Elektromobilität im Straßenverkehr gezielt durch eine Förderung aller
Kommunen stärken, die für innerstädtischen Logistikverkehr nur noch E-Fahrzeuge und
Lastenfahrräder zulassen, sowie durch ein zeitlich befristetes Marktanreizprogramm für
Elektro-Nahverkehrsbusse und Elektroautos. Wir brauchen dafür eine Beschaffungsoffensive der
öffentlichen Hand für Elektrofahrzeuge aller Art. Kaufanreize für Elektroautos wollen wir
aufkommensneutral durch eine Umgestaltung der Kfz-Steuer mit ökologischer Lenkungswirkung
und die Einführung eines Bonus-Malus-Systems gegenfinanzieren. Die Bundeskanzlerin erinnern
wir daran, dass der entscheidende Hebel für weniger Kraftstoffverbrauch und eine
wettbewerbsfähige E-Automobilproduktion ambitionierte Flottengrenzwerte bleiben – für diese
sollte sie sich künftig in Brüssel einsetzen. Wir Grüne sprechen uns für ambitionierte
Vorgaben für Neuwagen ab 2025 aus, um Treibhausgasemissionen wirksam zu vermindern.
Gute Bahnen
Der Ausbau des Schienenverkehrs ist entscheidend für das Erreichen unserer Klimaschutzziele.
Wir Grüne wollen den öffentlichen Verkehr stärken und seine Fahrgastzahlen bis 2035
verdoppeln. Dafür muss der Bund wieder zum Garanten eines guten öffentlichen
Verkehrsangebots werden. Als Eigentümer fast des gesamten Schienennetzes darf er die
Infrastruktur nicht länger verrotten lassen und muss verlässlich in Erhalt und Ausbau
investieren. Mehr Schienenverkehr trifft bei den Menschen nur dann auf Akzeptanz, wenn der
Lärmschutz an Bestands- und Neubaustrecken forciert wird. Der Lärmschutz an bundeseigenen
Schienenwegen darf nicht von der Haushaltslage einzelner Länder abhängen. Wir brauchen eine
einheitliche Verkehrslärmgesetzgebung inklusive deren Finanzierung, die einzelne Lärmquellen
wie auch deren Zusammentreffen als Umgebungslärm adressiert.
Es ist höchste Zeit, eine neue Kultur der Bahnreise zu entwickeln. Zugfahren muss wieder
Freude machen, weil man das Unterwegssein genießen kann und pünktlich ankommt. Mit dem
Deutschland-Takt wollen wir Fernverkehr und regionalen ÖPNV optimal aufeinander abstimmen
und funktionierenden Reiseketten ermöglichen. Als Reaktion auf den Fernbus hat die Deutsche
Bahn AG ein neues Fernverkehrskonzept präsentiert – ob sie wirtschaftlich in der Lage sein
wird es umzusetzen, ist jedoch ungewiss. Wir Grüne begrüßen den Kurswechsel weg von einem
ausgedünnten Hochgeschwindigkeitsverkehr zwischen wenigen Metropolen und hin zur Bahn in der
Fläche, mit dem der Staatskonzern wieder mehr Städte und Regionen anfahren und Kundinnen und
Kunden zurückgewinnen will. Damit die Bahn ein starkes Rückgrat der Mobilität in Deutschland
wird, darf sich der Bund als Eigentümer des größten Bahnunternehmens nicht länger aus der
Entwicklung des Bahnverkehrs heraushalten. Es fehlt eine Zukunftskonzeption für den
Schienenverkehr in Deutschland.
Deutschland braucht eine Bahnreform II, die die Interessen der Fahrgäste in den Mittelpunkt
stellt. Sie sollte in einer Regierungskommission, die Wissenschaft, Umwelt- und
Verbraucherverbänden und Verkehrswirtschaft zusammenführt, vorbereitet werden. Wir Grüne
wollen, dass mehr Städte an den Fernverkehr angeschlossen werden. Dies kann z.B. durch ein
Fernverkehrs-Sicherstellungsgesetz, wie es der Bundesrat einstimmig fordert, erreicht
werden. Wir Grünen wollen den Ausschreibungswettbewerb des Schienenpersonennahverkehrs auf
den nicht eigenwirtschaftlich zu erbringenden Fernverkehr ausweiten und das internationale
Angebot einschließlich des Nachtzugverkehrs stärken. Eine Bahnreform muss das Netz von den
Transportgesellschaften der DB AG sauber trennen und in neutrale staatliche Verantwortung
überführen. Nur so können mehr Wettbewerb und mehr Angebot auf der Schiene entstehen.
Momentan leidet die Deutsche Bahn unter ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Wir fordern daher, dass alle Anbieter*innen auf der Schiene den gleichen sozialen und ökologischen Standards verpflichtet sein müssen.
Bundesnetzplan
Deutschland baut seit Jahrzehnten der Zunahme von Auto- und Lkw-Verkehr hinterher. Jeder
neue sogenannte Engpass hat bislang die Planungsabteilungen in den Verwaltungen zum Aus- und
Neubau von Straßen animiert. Statt Verkehre zu vermeiden oder zu verlagern, wurden in
Deutschland überall Landschaft zubetoniert, immer mehr Lärm und Abgase erzeugt und der
Ressourcenverbrauch vermehrt. Weil die Haushalte keine ausgreifenden Autobahnbauten mehr
hergeben, setzt die Bundesregierung auf teure ÖPP-Projekte, die vordergründig privates
Kapital mobilisieren, am Ende aber nur die Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit
privatisieren. Sie werden künftige Generationen finanziell erheblich belasten, sind deshalb
sozial ungerecht und führen zu einer schleichenden abschnittsweisen Privatisierung. Eine
Autobahn-AG in der Art, wie sie die Bundesregierung konzipiert, und die Einbindung
renditegetriebener Kapitalinteressen in die Infrastrukturentwicklung lehnen wir Grüne
entschieden ab.
Wir wollen eine Umkehr im bisherigen System der Infrastrukturplanung in Deutschland. Wir
unterstützen die Ziele des Weißbuchs Verkehr der EU-Kommission, 30 Prozent des
Straßengüterverkehrs bis 2030 und 50 Prozent bis 2050 auf die Schiene bzw. auf den
Schiffsverkehr zu verlagern und einen Großteil des Personenverkehrs über mittlere
Entfernungen bis 2050 mit der Eisenbahn zu bewältigen. Deswegen ist die Praxis, alle 15
Jahre in Bundesverkehrswegeplänen ein Sammelsurium von Einzelprojekten aufzulisten, nicht
zukunftsfähig – und schon gar nicht finanzierbar. Auch der Bundesverkehrswegeplan 2015, den
Verkehrsminister Dobrindt vorgelegt hat, ist eine Wunschkiste mit viel zu vielen Projekten,
die weder Natur- und Umweltschutzanforderungen entsprechen noch finanzierbar sein werden.
Eine klare Priorisierung zugunsten des klimafreundlichen Schienenverkehrs und einer
intelligenten Vernetzung fehlt ebenso wie eine klare Priorisierung bei den
Straßenbauprojekten. Wir Grüne fordern stattdessen einen Bundesnetzplan, der Erhalt vor
Neubau festschreibt und den Ausbau der Infrastruktur auf zentrale Routen und den
Deutschland-Takt konzentriert. Mit dem Deutschland-Takt, einem bundesweit verknüpften
Taktfahrplan, verlagern wir mehr Verkehr auf die Schiene, steigern die Verlässlichkeit von
Reiseverbindungen und verkürzen die Reisezeiten.
Für fairen Wettbewerb im Verkehrssektor
Der Bahnverkehr braucht faire Bedingungen. Die massive staatliche Subventionierung des
Luftverkehrs ist ein ökologischer Blindflug. Die Einführung einer Kerosinsteuer und die
Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung für Auslandsflüge sind überfällig. Es ist ein
politisches Steuerungsversagen der Bundesregierung, dass die Betriebskosten für die
umweltfreundliche Schiene seit Jahren ansteigen, während sinkende Mautgebühren und
Kraftstoffsubventionen immer mehr Lkw-Verkehr erzeugen.
Der umweltfreundliche Bahnverkehr wird gegenüber der klimaschädlichen Straße und dem
klimaschädlichen Flugverkehr extrem unfair behandelt. Während jede Lokomotive auf jedem
Streckenkilometer EU-weit eine in der Höhe unbegrenzte Maut bezahlen muss, sind nur knapp 1%
des Straßennetzes mautpflichtig. Die Airlines bekommen in der EU jedes Jahr 30 Mrd. Euro vom
Steuerzahler geschenkt, weil sie von der Kerosin- und auf Auslandsflügen von der
Mehrwertsteuer befreit sind. All das macht das Fliegen künstlich billig und das Bahnfahren
künstlich teuer. Das ist in massivem Maße unökologisch und sozial ungerecht.
Wir Grüne fordern „Gleiches Recht für alle!“ Entweder wird bei allen eine Energiesteuer
erhoben oder bei niemandem, entweder zahlen alle Mehrwertsteuer oder keiner. Dann hat die
umweltfreundliche Schiene eine faire Chance. Die Schweiz zeigt uns, wie es gehen kann. Dort
zahlen alle LKW ab 3,5 Tonnen auf allen Straßen eine Maut, die dreimal so hoch ist wie in
Deutschland. Deshalb finden dort auch keine Verlagerungen von Autobahnen auf Bundes- und
Landstraßen oder von großen auf kleine LKW statt. Wir Grüne wollen die Nutzerfinanzierung
ausweiten, in die Maut alle Lkw ab 3,5 t und schrittweise das gesamte Straßennetz der
Bundes- und Landesstraßen einbeziehen und den Kombinierten Verkehr stärker. Wir sprechen uns
dafür aus, dass auch Fernbusunternehmen ihren Beitrag zur Erhaltung der Infrastruktur
leisten und ihren Mitarbeiter*innen gute Arbeitsbedingungen bieten sollen.
Erläuterung und Kritik der momentanen Wettbewerbssituation der Bahn.
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